Wie wird unser Stromnetz überwacht und gesteuert? Was passiert, wenn Störungen auftreten? Und welchen Einfluss hat die stark steigende Anzahl an EEG-Anlagen auf die Art und Weise, wie das Netz betrieben werden muss? Diese und viele weitere Fragen wurden jetzt während einer Führung durch die Netzleitstelle der OVAG beantwortet. Im Zuge der diesjährigen „Tage der Industriekultur Rhein-Main“ konnten Interessierte einen Einblick in das Herz und Hirn des oberhessischen Stromversorgungsnetzes erhalten.
In der Netzleitstelle wird neben den acht Fernwasserleitungen das rund 3.000 Kilometer lange Mittelspannungsnetz überwacht. Die Netzführer koordinieren dort sämtliche Schaltungen und nehmen diese nach Prüfung und Genehmigung vor – und halten so die Versorgung möglichst reibungslos aufrecht. Von den 21 Umspannwerken, die die Energie des Vorlieferanten AVACON von Hoch- auf Mittelspannung umspannen, und den rund 3.400 örtlichen Trafostationen, die den Strom wiederum für die Ortsnetze transformieren, können etwa 15 Prozent von der Leitstelle aus ferngesteuert werden, für die übrigen werden bei Bedarf Monteure vor Ort geschickt.
Die Teilnehmer erfuhren, dass sich eine mögliche Störung durch akustische und optische Signale ankündigt, ehe die Netzführer mit der Fehlersuche beginnen. Die Netze sind ringförmig aufgebaut. Tritt eine Störung auf, schaltet der Netzführer um. Dabei wird der Strom umgeleitet, es werden verschiedene Abschnitte der Leitung an- oder abgeschaltet, bis der Ort der Störung lokalisiert ist.
Schwerpunkt der Führung mit dem stellvertretenden Sachgebietsleiter Netzführung Strom, Marcel Bechtold, war neben der Störungssuche und -bearbeitung auch die Integration und Steuerung von EEG-Anlagen, die die Art und Weise, wie das Stromnetz betrieben werden muss, verändern. Das sogenannte Redispatch hat in den vergangenen Jahren an Dynamik gewonnen, da die Zahl der Einspeiser wie Windräder oder Photovoltaikanlagen im Netzgebiet kontinuierlich steigt und im Zuge der Energiewende weiter deutlich steigen wird. Die Teilnehmer erfuhren etwa, dass sich Einspeisung und Verbrauch im Laufe eines Tages mitunter deutlich ändern. Dargestellt wird das in sogenannten Tagesbelastungskurven. Die Aufgabe der Leitstelle ist es, falls es zu einer lokalen Netzüberlastung kommt, einzugreifen. Bei Problemen in den vorgelagerten Netzen werden dann unter Umständen Last oder Erzeugung abgeschaltet. Durch die stark steigende Anzahl von Einspeisern wird das immer schwieriger und komplexer.
„Energie ist die Basis für die Entwicklung der Region zu dem Industrie- und Kulturstandort, der sie heute ist und bildet das Rückgrat unseres modernen Lebens. Die Netzleitstelle als Schaltzentrale dieses Rückgrats passte somit perfekt in das Motto der diesjährigen Tage der Industriekultur. Es ist wichtig, dass wir den Menschen, die hier leben, vermitteln, welche Anstrengungen wir 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr unternehmen, um das aufrecht zu erhalten“, sagte Christian Weber, Abteilungsleiter Netzführung, am Rande der Veranstaltung.
Die Tage der Industriekultur finden vom 14. Bis 22. September statt und standen in diesem Jahr unter dem Motto „Voller Energie“. Die Führung durch die OVAG-Leitstelle war nur einer von mehr als 130 Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet in 29 Städten und Gemeinden, die dazu eingeladen hatten, Energie aus verschiedenen Perspektiven zwischen privater Verwendung, kommunaler Bereitstellung und geopolitischen Abhängigkeiten zu betrachten.